Wie schwer sollte der Fluchtrucksack sein?

  • Till
  • 7 Minuten Lesezeit

Ich wünschte ich könnte sagen, dass ich mich an meinen ersten Fluchtrucksack erinnern könnte, als würde ich ihn noch immer auf den Schultern tragen. Doch statt mich an den Fluchtrucksack und seinen Inhalt zu erinnern, bleiben lediglich die Erinnerungen an Rückschmerzen, Nackenverspannungen und eine exzessive Erschöpfung nach meinem ersten Praxistest, denn eine Frage habe ich mir zu Beginn meiner Krisenvorsorge nie gestellt: Wie schwer sollte der Fluchtrucksack maximal sein?

Rückblickend wünsche ich mir, mich im Detail an meinen ersten Fluchtrucksack erinnern zu können, denn so könnte ich dir optimal vorführen, wie man einen solchen nicht organisiert. Alles, was von den Erinnerungen zurückgeblieben ist, sind tagelange Rückenschmerzen, Nackenverspannungen und ein exzessiver Muskelkater, der sich gewaschen hat.

Doch wie kam es dazu? Zu Beginn meiner Krisenvorsorge war ich bereits auf dem absoluten Höhepunkt meines Kaufrausches angekommen. Durch das Alibi, Ausrüstungsgegenstände für den Notfall zu organisieren, hatte ich kein schlechtes Gewissen bei der Anschaffung immer besserer und teils auch teurer Ausrüstungsgegenstände. Dabei ging es mir nicht einmal darum, diese Dinge besitzen zu wollen, nein. Viel mehr weckten sie auch dank der leuchtenden Reklametafeln den Anschein, dass sie unverzichtbar sein und so mussten sie natürlich auch zwingend einen festen Platz in meinem ersten Fluchtrucksack finden.

Mein Feldtest, bestehend aus einem rund 25km langen Marsch durch unterschiedlichste Gefilde und dem Ziel, eine Übernachtung an einem meiner ausgewählten Fluchtpunkte zu verbringen, scheiterte mit Ach und Krach. Zwar bin ich noch vor dem Sonnenuntergang am Zielort angekommen, doch den Rückweg musste ich mit verbitterte Miene meiner Lebensgefährtin überlassen, die mich mit dem Auto abholen kam.

Flüchten ist nicht Campen!

Flüchten ist nicht Campen und so romantisch wie auf dem Bild, wird es nicht sein. Leider wird das zu häufig verwechselt.

Etwas, was ich beim Packen meines Fluchtrucksacks und bei aller Begeisterung für die verschiedenen Ausrüstungsgegenstände aus dem Outdoorbereich vollkommen vergas, waren der eigentliche Sinn und Zweck hinter dem Fluchtrucksack. Statt auf eine minimale und dafür umso sinnvollere Ausrüstung zu setzen, die mir das Überleben in Krisenfall sichern soll, verlor ich mich in den Weiten des Campings und, um ehrlich zu sein, teilweise auch des Glampings.

Dabei ist die Organisation des Fluchtrucksacks im Wesentlichen eigentlich ein sehr einfaches Unterfangen, wenn man es schafft, sich auf das Wesentliche zu reduzieren. Nahrung für rund drei Tage, Wasserreserven oder einen leistungsstarken Wasserfilter, Utensilien für die erste Hilfe, kleines Werkzeug (z.B. ein Taschenmesser oder ein Multifunktionswerkzeug), Ausrüstung für die Nacht und Wechsel- oder wenigstens Regenkleidung.

Doch insbesondere Anfänger stehen dabei offenbar vor besonderen Herausforderung und ich beobachte immer wieder, dass die Vorbereitung auf mögliche Fluchtsituationen ähnlich wie vor vielen Jahren eher einer Vorbereitung auf einen sommerlichen Campingurlaub erinnert.

Bevor du dich also damit beschäftigst, wie schwer dein Fluchtrucksack sein sollte, solltest du dich zunächst dringend mit Fluchtsituationen und ihrer Planung auseinandersetzen und dich bei der Auswahl deiner bevorzugten Ausrüstungsgegenstände immer wieder daran erinnern, dass der Fluchtrucksack lediglich das Überleben sichern soll und nicht dazu geeignet ist deine Komfortzone aufrechtzuerhalten!

Fluchtrucksack – Wie ermittelt man das optimale Gewicht?

Damit du das optimale Gewicht deines Fluchtrucksacks ermitteln kannst, solltest du die nachfolgenden Punkte beherzigen und nach Möglichkeit anwenden.

Formeln und Tabellen nutzen

Oftmals werden zur Ermittlung des optimalen Gewichts deines Fluchtrucksacks Rechner oder Tabellen aus dem Wanderbereich zurate gezogen und in der Tat lässt sich mit ihnen im Groben und Ganzen erahnen, in welche Gewichtsklassen dein Fluchtrucksack vordringen könnte.

Andererseits solltest du dich aber nicht blindlings auf diese Empfehlungen verlassen, denn diese beruhen auf der Annahme, dass du mühelos das nächste Café, eine Almhütte oder einen Supermarkt erreichst und dir nach Belieben Zeit für ausgedehnte Pausen lassen kannst. Optimal ist es also, wenn dein Fluchtrucksack deutlich leichter ist als beispielsweise beim Wandern oder Fahrradfahren.

Anders als beim Sporttreiben, obgleich du dies zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Snowboard tust, gibt es in Fluchtsituationen entweder keine oder lediglich eine eingeschränkte grundversorgende Infrastruktur, auf die du zugreifen kannst.

Individuelle Situation einschätzen

Um dein optimales Fluchtrucksackgewicht zu ermitteln, solltest du zudem auch deine individuellen Umstände berücksichtigen. Sei dabei so ehrlich wie möglich zu dir selbst und bedenke die nachfolgenden Umstände, die dein Leben individuell gestalten und deine Flucht womöglich prägen:

  • Gesundheit
    Leidest du an häufigen Rückschmerzen, hast du Nackenverspannungen oder bist du von Erkrankungen der Wirbelsäule betroffen? In diesen Fällen ist weniger mehr, denn vergiss nicht, dass du deinen Fluchtrucksack im Zweifelsfall über lange Strecken hinweg schleppen musst und Pausen nicht immer möglich sind.
  • Fitness
    Gehörst du zu den Couchkartoffeln, bist du Kraftsportler oder liebst du die ausdauernde Herausforderung? Wähle das Gewicht deines Fluchtrucksacks abhängig davon, wie fit du bist, statt dich ungewollt zu überladen.
  • Mentale Stärke
    Kannst du dich kaum durchringen deinen Kasten Mineralwasser die Haustüre hindurch zu tragen oder kannst du es gar nicht abwarten, dich endlich wieder zu belasten? Die Mentale Stärke, wie sie beispielsweise von Sportlern und Survival-Experten im Übermaß trainiert wird, kann dich auch langfristig einer körperlichen Belastung ausgesetzt lassen, ohne dass du zusammenbrichst. Gehörst du nicht zu den Menschen, die mental stark sind, solltest du auf weniger Gewicht setzen!
  • Alter
    Das Alter sollte im Leben keine Ausrede sein, um etwas zu tun. Und dennoch lässt die körperliche Leistungsfähigkeit mit der Zeit nach und so solltest du auch deine bereits verstrichene Lebensjahre in die Organisation deines Fluchtrucksacks mit einfließen lassen.

Fluchtplanung einbeziehen

Außerdem solltest du auch deine Fluchtplanung mit einbeziehen, denn abhängig von der Wahl der Fluchtrouten, der Zugänglichkeit deines Fluchtfahrzeuges und anderen Kriterien, können schon wenige Kilogramm einen enormen Unterschied ausmachen.

  • Fluchtrouten
    Führen deine Fluchtrouten durch enge Gassen und Winkel oder musst du Zäune, Mauern und andere Hürden überwinden, um an dein Ziel zu kommen? In diesen Fällen solltest du auf einen schmalen Fluchtrucksack setzen.
  • Fluchtfahrzeug
    Planst du mit deinem Fluchtfahrzeug und kannst du sicherstellen, dass dieses immer griffbereit ist? Mit einem Auto oder einem Fahrrad kannst du wesentlich mehr transportieren und bist nicht an die engen Gewichtsgrenzen gebunden. Doch im Falle dessen, dass du dein Fluchtfahrzeug nicht immer parat hast oder um einen Ausfall fürchten musst, solltest du lieber beim Minimalgepäck bleiben.

Struktur ist alles

Beim Organisieren deines Fluchtrucksacks ist eine solide Struktur besonders wichtig. Mithilfe einer einfachen Excel-Tabelle oder einer händischen Liste und einer Küchenwaage kannst du die einzelnen Ausrüstungsgegenstände zusammenfassen, wiegen und katalogisieren.

Auf diesem Weg erhältst du einen optimalen Überblick über das, was du bereits mitnehmen möchtest und gegebenenfalls auch über das, was dir fehlt. Außerdem kannst du anhand der aufgezeichneten Gewichtsangaben Vergleiche zu anderen Produkten oder Ausrüstungsvarianten ziehen und findest unter Umständen Ausrüstung, die sich zur Mitnahme im Fluchtrucksack besser eignet als das, was du vormals eingeplant hast. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Schlafmöglichkeit: Hochwertige Biwaksäcke aus dem alpinen Outdoorbereich wiegen oftmals weniger als 500g, während die Mitnahme eines Zeltes oder eines militärischen Biwaksacks in der Regel weit mehr als ein Kilogramm beansprucht und somit einen gewaltigen Teil deiner Ausrüstung ausmachen kann.

Setze außerdem auch auf dem Selbstbau oder zumindest auf die nachträgliche Verarbeitung deiner Ausrüstungsgegenstände. Hierbei kannst du großartig vom Ultralight-Trekking lernen. Eine Zahnbürste aus Bambus wiegt oftmals weniger als klassische Handzahnbürsten. Außerdem kannst du den Griff mit einem Werkzeug beispielsweise um die Hälfte reduzieren, um weiteres Gewicht einzusparen. Hierbei geht es natürlich nur um wenige Gramm, auf die Menge gesehen schafft man es im direkten Vergleich zu unbearbeiteten Ausrüstungsgegenständen aber schnell ein halbes Kilogramm und mehr zu sparen.

Das maximale Rucksackgewicht sollte dabei höchstens ein Zehntel deines eigenen Körpergewichtes ausmachen. Wenn du 70 Kilogramm wiegst, können das beispielsweise 7 Kilogramm sein. Wenn du 100 Kilogramm wiegst, sollten es nicht mehr als 10 Kilogramm sein. Bedenke aber auch hier deine individuellen Bedürfnisse und Umstände.

Probe die Praxis

Unbestritten lässt sich eine Fluchtsituation im Krisenfall nur in Maßen simulieren. Der Stress und die Gefahrenlage fehlen glücklicherweise im praktischen Teil der Theorie und doch ist es ein himmelweiter Unterschied, ob man mit der minimalen Ausrüstung seines Fluchtrucksacks im Freien unterwegs ist oder ob man sich mit üppigem Gepäck in einen Campingurlaub wagt.

Die Probe der Praxis ist dabei aus zwei wesentlichen Gründen besonders wichtig: Einerseits findest du nur im praktischen Teil heraus, ob das Gewicht deines Rucksacks den Kräften, die du zur Verfügung stellen kannst, angemessen ist und andererseits ist der Feldversuch optimal geeignet, um möglicherweise fehlende oder auch unnötige Ausrüstungsgegenstände zu identifizieren. Außerdem kannst du ebenfalls herausfinden, ob du gegebenenfalls einen Teil deiner Fertigkeiten und Fähigkeiten erweitern musst, um bestmöglich durchzukommen.

Den Praxistest kannst du am besten bewerkstelligen, indem du bereits vorausgewählte Fluchtrouten bewusst abläufst oder vergleichbare Strecken und Geländetypen zurücklegst. Zur Planung deiner Fluchtroute kannst du beispielsweise Komoot, aber auch klassische Karten deiner Region verwenden.

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